Lebensbilder von Hermann Fehr Verfasst zur Trauerfeier am 23. August 2024 durch Pfrn. Sabine Aschmann
«Macht kein grosses Theater» rät uns Hermann für seine Abdankung. Machen wir nicht. Das Kleintheater war schliesslich seine Welt, und dies soll uns jetzt auch nochmals vor Augen kommen.
1. Akt Vorhang auf. Es ist der 29. September 1936. Hermann betritt die Bühne. Ein Jahr nach seiner Schwester Annelies und 2 Jahre vor seinem Bruder Ernst. Man ist stolz auf den kleinen Stammhalter. Hermann Fehr heisst schon der Vater. Johann der Grossvater in Schaffhausen. Die Mutter Berta nicht zu vergessen, eine liebe Frau. Die Szene spielt in Mettschlatt. Grosses Bauernhaus. 9 Zimmer. Gebadet hat man im Zuber in der Waschküche. Hermann trägt von klein auf Holz und Wellen in die Küche, damit der grosse Kachelhofen geheizt werden kann. Wie alle hilft er bei der Feldarbeit und auf dem Bauernhof, im Winter beim Holzen, aber seine Leidenschaft gilt der Werkstatt des Vaters und den Traktoren, die nun aufkommen. Zur Schule geht er, weil er muss. Nur 100 m Weg, das schadet nicht. Hermann ist ein Lausbub. Und ein Bastler. Konfirmieren lässt er sich auch, weil er dann endlich auf den Tanz darf. Hermann liebt das Leben, die Mädchen, ein schwarzes Hemd mit gelber Krawatte. Er darf Maschinenschlosser lernen bei der SIG. Sein Stundenlohn: 20 Rappen im 1. Lehrjahr. Später verdient er immerhin Fr. 1.33. Das Kilo Brot kostet 36 Rappen. Jeder Rappen zählt. Man kommt aus den Kriegsjahren. Nach vier Jahren ist Hermann fertiger Maschinenschlosser und geht in die Welt. Weit kommt er nicht. Sulzer Winterthur, General Motors Biel, dann auf Montage in der ganzen Schweiz, aber die Kulisse bleibt Schlatt. Hier zieht es ihn immer wieder hin. Hierher bringt er auch seine Braut, die liebe Sylvia. Sie heiraten am 24. September 1960 – wer erinnert sich noch? - und nun wird eine Familie gegründet. Bald rennen drei Buben herum. Peter, Reto und Hansueli. Hermann ist Vater und ein treubesorgter Ehemann, später für seine Enkel ein begeisterter Opa. Und wenn auch die Bühne dunkler wird mit den Jahren, die Söhne wegziehen, die Kulisse sich verändert, man bleibt in Schlatt. Nur keine Angst, so schnell ist das Theater nicht zu Ende.
2. Akt Vorhang auf. Schaut Her: mann singt. Seht her: man turnt. Und dazwischen arbeitet Hermann fleissig in seiner Bude. Und wenn’s ihn auch nicht reich macht, dann singt man und turnt weiter, ist Schütze im Verein, fährt Velo und Ski, hilft mit beim Bau eines Ferienhaus in Valbella, ist Hobbygärtner, macht den Präsidenten da und dort, den Vorstand, den Kassier, den Rechnungsprüfer, spielt Theater, ist Dorfweibel und kennt jedes Haus. Nein, man ist nicht dumm. Hermann dichtet, lernt Rollen auswendig, jodelt, fasnächtelt, ist Feuerwehrmann; kurz, er macht alles, was lustig ist, mit und sorgt, dass alles, was sein muss, lustig wird. Jahrzehntelang. Ja, geht das? Die Jahre machen Hermann ernsthafter, aber Freundlichkeit und Fröhlichkeit vertiefen sich nur. Aus dem Festlatschi wird ein feiner humoriger Menschenfreund. Die Eltern sterben, die Gesundheit ist angeknackst, manche Hoffnung zerbricht, manche Frage treibt ihn um, aber er weiss, das Leben geht weiter, und ich kann immer noch etwas daraus machen: «wenn man sieht, dass man gebraucht wird, allen helfen können, sich für alles interessieren können.» Das ist sein Motto. Und wie hat er DIR geholfen? – Applaus für Hermann. Er winkt bescheiden ab und lächelt.
3. Akt Vorhang auf. Hermann spielt auf kleinen Bühnen. Sein grösster Auftritt sind die Aufführungen von No e Wili in Stein am Rhein. Hermann im Mönchschor. Ein Höhepunkt. Wirklich? Wir haben von Hermanns Kleinkunst gehört. Auf vielen Bühnen hat er getanzt, viele Rollen im Leben gespielt, seine wichtigste Rolle aber kam zuletzt: Mit Operationen, Spital und Pflegeheim von Sylvia, mit dem Älterwerden, mit seinem Krebs. Er spielte uns keine Komödie vor, er wollte kein Drama und keine Tragödie daraus machen. Er liess den Vorhang fallen und begab sich in seine Garderobe, er schminkte sich ab und sah in den Spiegel. Er machte vieles bewusst noch ein letztes Mal: Nochmals die Altersferienwoche mitmachen, nochmals im Männerchor proben – und denken, wie schön es wäre an der Abendunterhaltung dabei zusein – nochmals und nochmals zu Sylvia ins Kathi und so oft es geht, mit ihr am Rhein sitzen, nochmals mit den Söhnen und den Enkeln Kontakt pflegen. Nochmals sich aufrappeln nach der grossen Krise. Nochmals lächeln, strahlen mit blauen Augen, abgeklärt, im Frieden – nochmals Hanu für alles danken, und wenn das Reden nicht mehr geht, gen Himmel zeigen mit dem Finger, vom Sterbebett aus, und dann die Augen schliessen und einschlafen. Fragen wir uns: Welches war mein Höhepunkt mit Hermann – seine grosse Rolle für mich?
4. Akt Der Vorhang geht nicht mehr auf, er ist gefallen. Doch Hermann hat etwas aufgeschrieben für uns, das wollen wir vor dem Vorhang verlesen. Es sind Abschiedsworte an uns alle und an seine liebe Sylvia, für die er gelebt hat, wie sonst für niemand.
Liebe Freunde Weint nicht um mich, freut euch an der Vergangenheit und an all den schönen und ereignisreichen Momenten, die wir gemeinsam erlebt haben. Es gibt sicher viel zu erzählen und zu lachen vom Hermann.
Mein Lebensmotto: Ich habe das Leben geliebt, die Sünde geküsst, das Herz den Frauen geschenkt und nie gefragt, was morgen ist (Letzteres ist mir nie ganz gelungen).
Ich hoffe, ihr werdet euch nach meinem Tod immer an meine Freude am Leben erinnern.
Habt Dank für alles. Und wenn ich euch etwas zuleide getan habe, bitte ich um Entschuldigung, es war nie ernsthaft und böse gemeint. Dir liebe Sylvia herzlichen Dank für deine Liebe, glaube mir, auch wenn es manchmal «getschättert» hat, meine Liebe zu Dir war immer da. Ohne Dich und Deine Unterstützung, deine Hilfe hätte mein Leben längst keine Sinn mehr gehabt. Es war so schön mit Dir, hab Dank für alles Sylvia.
Wenn de Himmel voller Wulche steit, git es Tage, wo dich nüt me froit, dänn vergiss im Läbe nie, dass alli Wulche wiiterzien.